School USA: «Old Man River» – Der Mississippi als Lebensader der USA
Im berühmten Song “Ol’ Man River” wird der legendäre Fluss besungen, als wäre er ein weises Wesen mit Seele. Der Strom ist eine der zentralen Lebensadern der USA und mit fast 4000 km der viertlängste Fluss der Erde. Er entspringt im Norden der USA und schlängelt sich südlich bis nach Louisiana, um im grossen Delta bei New Orleans in den Golf von Mexiko zu münden.
Schon in präkolumbianischer Zeit diente der Fluss als Lebensader für die Ureinwohner Amerikas. Stämme wie die Cheyenne und die Sioux lebten an seinem Ufer gaben ihm seinen Namen Misiziibi (grosser Fluss). Später wurde er zur wichtigen Handelsroute der ersten französischen, spanischen und britischen Einwanderer. Insbesondere für die Geschichte des Südens der USA spielte der Fluss eine bedeutende Rolle. Sein Umland ist sehr fruchtbar, es wurde vor allem Mais, Tabak und Baumwolle angebaut und bis ins 20. Jahrhundert hinein war der Fluss ein Hauptverkehrsweg für den Transport von Waren und Menschen.
Der Fluss trug auch entscheidend zum wirtschaftlichen Erfolg der Sklaverei bei. Zum einen nutzen die Plantagenbesitzer den Fluss, um ihre Ernten zu den Märken zu bringen, ausserdem diente er dem inneramerikanischen Sklavenhandel. Die Vorstellung „to be sold down the river“ löste bei den meisten Schwarzen Angst und Schrecken aus. Allerdings eröffnete die Grösse des Flusses und die teilweise schwer zugänglichen Ufer einigen Sklaven auch die Chance zur Flucht. Verfolger hatten es schwer, hier entflohene Schwarze zu finden und einzufangen.
Darüber hinaus hat der Mississippi River auch eine starke künstlerische und literarische Bedeutung. Zahlreiche Schriftsteller wie Mark Twain haben in ihren Werken die Schönheit und den Charme des Flusses eingefangen. Der Mississippi wurde zu einem Symbol für den amerikanischen Traum, die Suche nach Abenteuer und Freiheit. Beachtenswert ist auch die Verbindung des Mississippis zur Musik der Südstaaten. So entstand der Blues, eine der einflussreichsten Musikrichtungen des 20. Jahrhunderts, entlang des Flusses. Künstler wie Muddy Waters und B.B. King haben den Blues in die Welt hinausgetragen und damit die amerikanische Musikszene nachhaltig geprägt.
Bedeutsam für das musikalische und künstlerische Erbe des Mississippis sowie für den Freiheitskampf der schwarzen Bevölkerung sind zwei seiner wichtigsten Städte: Memphis und New Orleans. Memphis als Geburtsstadt des Blues und des Rock‘n Roll und New Orleans – eine Stadt, die nicht zu Unrecht als eine der faszinierendsten Orte in den USA gilt. Memphis war die bedeutendste Stadt am Mittellauf des Flusses und ist bis heute Sitz einer der wichtigsten Baumwollbörsen der USA. Zuweilen lagen bis zu 300 Schaufelraddampfer im Hafen, den ein hektisches Treiben auszeichnete. Die Beale Street, ursprünglich die Amüsiermeile der Schiffer, wurde zur Geburtsstätte des Blues und beherbergt heute zahlreiche Musikkneipen.
Das 1718 von französischen Siedlern gegründete New Orleans wurde zu einem einzigartigen kulturellen Schmelztiegel. Die Stadt mit ihrer strategisch bedeutenden Lage und einem der grössten Handelshäfen Nordamerikas wechselte mehrmals zwischen französischer und spanischer Herrschaft, bevor sie 1803 im Louisiana Purchase an die Vereinigten Staaten überging und der jungen Republik den Zugang zum mächtigen Mississippi River verschaffte. Die kulturelle Bedeutung von New Orleans ist einzigartig und sowohl in seiner ganz besonderen Architektur, Musik und Küche zu spüren, in denen sich französische, spanische, kreolische und karibische Einflüsse verbinden. Besonders berühmt ist der Karneval (Mardi Gras). New Orleans ist zudem die Wiege und Hauptstadt des Jazz. Nicht nur in der Musik, sondern auch in der politischen Geschichte der Stadt spielten Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner eine wichtige Rolle und die Stadt war seit dem späten 19. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum der Bürgerrechtsbewegung. Trotz der verheerenden Zerstörungen des Hurrikans Katrina, der 2005 über 1.400 Menschen das Leben kostete und weite Teile der Stadt verwüstete, ist es New Orleans gelungen, wieder zu einer pulsierenden multikulturellen Metropole zu werden.
Der Kurs beginnt in Memphis und endet in New Orleans. Legendäre, für die Geschichte des Südens massgebliche Städte wie Vicksburg und Natchez sowie eine Baumwollplantage werden besucht. Im Rahmen der Veranstaltung werden durch die Lektüre, aktive Seminararbeit und Exkursionen zentrale Themen der Wirtschafts- und Kulturgeschichte des Mississippi erschlossen. Das beinhaltet die indigene Bevölkerung, die Geschichte der schwarzen Amerikaner und Amerikanerinnen sowie deren Kampf um Gleichberechtigung, den Bürgerkrieg und seine Folgen sowie das kulturelle Erbe des Flusses. Nirgendwo lässt sich das Wechselspiel von naturräumlicher Prägung und menschlichem Handeln wohl besser studieren als am „Old Man River“.
Koordination:
Prof. Dr. Britta Waldschmidt-Nelson
Prof. Dr. Hartmut Berghoff
Dozenten und Dozentinnen:
Prof. Hartmut Berghoff
Prof. Beverly G. Bond
Prof. Dr. Douglas Birstol
Prof. Dr. Daniel Usner
Prof. Dr. Frank Perez
Prof. Craig E. Colten
Prof. Dr. Alecia P. Long